Alte Sitte Eidring

Mittsommerblót

Das Fest der Sommersonnenwende

Mittsommeropfer, an. miðsumarsblót, dän. Midsommerblót, norw. Midtsommerblot, schw. Midsommarblot, auch is. Þingblót

Dagaz Othala Fehu

Inhalt

Allgemein

Die Sommersonnenwende, der längste Tag des Jahres, für manche auch der Höhepunkt des germanischen Jahres. Für andere, so auch für mich, ist dies das Julfest. Die Dagaz-Rune symbolisiert sehr schön den flüchtigen Charakter des Festes: Die Sonnenwende ist eine Übergangszeit, genauso wie die Dämmerung, die die Nacht vom Tag trennt. Sie ist auch eine Schwelle nach deren Überschreitung die Tage kürzer werden - es geht wieder auf das Winterhalbjahr zu. Die drei Runen umreißen das Geschehen: Dagaz steht für die Sonnenwende selbst, Übergangszeit. Das Land (Othala) steht in Blüte / Reife und ist fruchtbar (Fehu). Fehu steht aber auch für eine Polarisation zwischen Werden und Vergehen, auch hier das Symbol des Übergangs. Das Wachstum ist an seinem Höhepunkt angekommen, es herrscht Fülle und Reife. Nach der Sonnenwende beginnt die Heuernte. Man spürt schon eine Art Stagnation und obwohl es sehr warm ist, ahnt man, daß diese Zeit sich nun gewendet hat.

Festzeitpunkt

Wie über alle Festzeitpunkte läßt sich auch hier trefflich streiten. Das mag zunächst verwundern, weil das Fest der Sommersonnenwende weit verbreitet und bei vielen im Jahresrhythmus fest verankert ist. Sicher zu Recht, weshalb sich die Frage nach dem Festzeitpunkt meist gar nicht stellt. Trotzdem werde ich sie an dieser Stelle aufgreifen. Zum einen, weil oft gesagt wird, daß ein germanisches Mittsommerfest schlecht belegt sei und sich so gut wie gar nicht nachweisen ließe. Zum anderen, weil manche behaupten, daß die Sommersonnenwende und Mittsommer grundsätzlich voneinander zu trennen seien und nicht zusammenfielen.

Im Grunde werden nämlich, soweit ich es richtig beobachte, zwei Positionen vertreten, wann das altnordische miðsumarsblót ursprünglich stattgefunden haben könnte, respektive welcher Zeitpunkt heute geeignet wäre. Beide lassen sich meiner Meinung nach nicht vollkommen widerspruchsfrei darlegen. Es werden immer Argumente und Gegenargumente miteinander um den Wahrheitsanspruch ringen. Und entweder kommt man im eigenen Abwägen an den Punkt, seine Festlegung zu finden oder man wird sich möglicherweise dem immerwährenden Wettstreit der Ideen und Interpretationen ausliefern, der jedwede Zweifel nährt und damit die Bindung zu den Göttern zermürbt. Reines Buchwissen oder Eins-zu-eins-Rekonstruktionen werden einem die eigene Mitte und zeitlos gültige Hinwendung zu den waltenden Mächten nicht geben können, sondern nur der Gleichklang aus literarischem Wissen gepaart mit eigenen Erfahrungen des In-Sich-Hineinhorchens.

Wir müssen in uns horchen und in die Natur, um den “überwachsenen Pfad” in unserem Geiste aufzuspüren [...] (zeitlosueberdauert.wordpress.com)

Um auf die Frage nach dem Festzeitpunkt zurückzukommen und die beiden Positionen, die dazu vertreten werden:

1) Für die einen, so auch für mich, stehen die solaren Wendepunkte des Jahres im direkten Zusammenhang mit den Festzeiten. Das bedeutet in diesem Fall, daß Mittsommer und Sommersonnenwende überwiegend synonym verwendet werden und nicht voneinander zu trennen sind. Dafür gibt es gute Gründe, auf die ich noch zu sprechen komme.

2) Anderer Ansicht sind jene, für die Mittsommer und Sommersonnenwende zwei eigenständige und vollkommen voneinander getrennte Ereignisse darstellen. Hier wird Mittsommer Mitte Juli verortet. Als Grundlage dient, kurz gesagt, der Rekonstruktionsversuch eines altskandinavischen Lunisolar-Kalenders, unter anderem unter Berücksichtigung mittelalterlicher Kalenderstäbe, auch Runenkalender genannt. Sonnenwenden und Gleichen spielen nur eine nachgeordnete Rolle. Die Jahresteilung wird strikt in Sommer- und Winterhalbjahr vorgenommen. Wobei ich mich frage, wie dann die Begriffsbildung vár für Frühjahr zu verstehen ist, wenn die Menschen damals nur zwischen Sommer oder Winter unterschieden haben sollen?
Maßgeblich scheint diese Auslegung auf Nordberg zurückzugehen und wird vorwiegend von Asatru-Gruppen im skandinavischen Raum rezipiert. Im deutschsprachigen Bereich vertritt Zautner diese Sichtweise. Die größtenteils in Asatru-Kreisen verbreiteten Feiertage haben für ihn keinen Bestand, da sie jeder historischen Grundlage entbehrten. Er empfiehlt, sich zunächst von diesen Vorstellungen zu trennen, die durch Wicca-Elemente zu einem eklektischen Asatru vermengt worden wären (S.88). Zumindest seiner Meinung nach.

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De Vries erwähnt (§305, Die periodischen Kultfeiern), daß Snorri Sturluson neben den drei in der Heimskringla, Ynglinga saga, Kapitel 8 genannten Blótfesten noch ein viertes überliefert, und zwar ebenfalls in der Heimskringla in der Geschichte von König Olaf Tryggvason. Als dieser im Sommer 998 zu Frosta ein Thing berufen hatte, um die Bauern zum Christentum zu nötigen, stieß er auf einen so energischen Widerstand, daß er nachgeben mußte und verspach, zum miðsumarsblót in Mären zu kommen.

65. Das Thing in Drontheim
König Olaf zog im Sommer ein großes Heer aus dem Osten des Landes zusammen und steuerte mit diesem nordwärts nach Drontheim. Er landete zuerst an der Mündung des Nid. Dann ließ er ein Thing über den ganzen Drontheim-Fjord hin ausrufen und berief die Versammlung der acht Gaue nach Frosta, aber die Bauern machten aus der Einladung zum Thing ein Kriegsaufgebot, und sie riefen zu den Waffen zusammen Freie wie Unfreie aus ganz Drontheim.
So waren, als der König zum Thing kam, alle Bauern in voller Waffenrüstung dort erschienen. Nach der Thingeröffnung sprach der König zum Volke und forderte die Annahme des Christentums. Als er aber kurze Zeit geredet hatte, da schrien die Bauern dazwischen und hießen ihn schweigen; sie drohten, sonst würden sie ihn angreifen und ihn aus dem Lande jagen - „so machten wir es mit Hakons Äthelstans-Ziehsohn‟, riefen sie, „als jener ein solches Ansinnen an uns stellte, und dich werten wir nicht höher als ihn.‟
Da nun König Olaf die Wut der Bauern sah, außerdem, daß sie ein so großes Heer hatten, daß er ihnen nicht entgegentreten konnte, da lenkte er mit seiner Rede ein und tat so, als ob er sich den Bauern fügen wolle. Er sagte: „Ich möchte, daß wir das gute Einvernehmen herstellen, das früher zwischen uns war. Ich will dorthin gehen, wo ihr eure größte Opferstätte habt und mir euren Brauch ansehen. Dann können wir unseren Beschluß fassen, welchen Glauben wir beibehalten wollen und dann wollen wir uns alle darüber verständigen.‟ Als der König nun so sanft zu den Bauern sprach, da wurden sie milderen Sinnes, und ihre Aussprache ging dann ganz friedlich und versöhnlich von statten. Schließlich wurde beschlossen, daß ein Mittsommer-Opferfest in Mären stattfinden solle. Dort sollten alle Häuptlinge und mächtige Bauern erscheinen, wie das der Brauch war, und dorthin sollte auch König Olaf kommen.

Sammlung Thule - Altnordische Dichtung und Prosa, Verlag Eugen Diederichs, Bd. 14 Snorris Königsbuch I (S. 272), Übersetzung nach Felix Niedner, Jena 1922

Nach der Ólafs saga Tryggvasonar ist somit ein miðsumarsblót überliefert. Den genauen Tag, an dem es stattfand, zeigt eine Stelle im Ágrip af Nóregs konunga sögum, der Zusammenfassung der Geschichte der Könige Norwegens, wo von demselben König Olaf Tryggvason erzählt wird, daß er die heidnischen Blótfeste verboten und an ihrer Stelle feierliche Trinkgelage angeordnet habe. Und zwar Jul und Ostern, das Johannisbier und Herbstbier. An Johanni gedenken Christen der Geburt Johannes des Täufers am 24.Juni, weil er der Bibel nach ein halbes Jahr älter als Jesus Christus ist. Die enge Verbindung zur Sommersonnenwende ist nicht zufällig gewählt, wie ja auch die nachfolgende Stelle zeigt. Die geringe Abweichung zwischen Sonnenwende und Johanni ist auf kalendarische Verschiebungen zurückzuführen.

Kapitel XIX.
Hann hafði sjau vetr ok tvítján, er hann kom í Nóreg, ok á þeim fimm vetrum, er hann bar konungs nafn í Nóregi krisnaði hann fimm lǫnd: Nóreg ok Ísland ok Hjaltland, Orkneyjar ok i fimmta Færeyjar, ok reisti fyrst kirkjur á sjálf<s> síns hǫfuðbólum, ok felldi blót ok blótdrykkjur, ok lét í stað koma í við lyðinn hátíðardrykkjur jól ok páskar, Jóansmessu mungát, ok haustǫl at Míkjálsmessu.

He was twenty-seven winters old when he came to Norway, and during the five years he bore the name of king in Norway he Christianised five countries: Norway, Iceland, Shetland, Orkney and the fifth, the Faeroes. He first raised churches on his own estates and he abolished pagan feasts and sacrifices, in place of which, as a favour to the people, he ordained the holiday feasts Yule and Easter, Joansmass ale and an autumn-ale at Michaelmas.

Er war 27 Winter alt, als er nach Norwegen kam und in den fünf Jahren, in denen er sich König von Norwegen nannte, christianisierte er fünf Länder: Norwegen, Island, Shetland, die Orkney Inseln und als fünftes die Färöer. Er erbaute zuerst Kirchen in seinen eigenen Ländereien und schaffte die heidnischen Opferfeste und Opfertrinkgelage ab, und ließ an ihrer Stelle als eine Gnade für die Menschen die feierlichen Trinkgelage Jul und Ostern, Johannismessebier und das Herbstbier zur Michaelismesse.

Ágrip af Nóregskonungasǫgum auf: vsnrweb-publications.org.uk. Abschrift des altisländischen Textes sowie englische Übersetzung.

Kritik

Zautner versucht dem zweierlei entgegenzustellen, was meiner Meinung nach wenig überzeugend klingt:

A) Die Stelle aus der Ólafs saga Tryggvasonar interpretiert er so, daß es zwar ein miðsumarsblót gab, aber „das deutlich nach dem Allding stattfand und nicht, wie mancherorts behauptet, mit diesem identisch war.‟ (Zautner, S. 122). Ein Alþing wird in diesem Kapitel der Saga jedoch gar nicht erwähnt, sondern das Frostathing, das insgesamt acht Bezirke (Fylke) umfasst, und somit ein Bezirksthing darstellt. In den folgenden Kapiteln der Saga heißt es dann, daß der König das Thing ausrufen und eröffnen ließ, worauf er den Tempel mit den Götterbildern betrat:

68. Das Thing in Mären
Da ließ der König das Thing ausrufen, und beide Teile kamen in voller Waffenrüstung zur Versammlung, und nach der Eröffnung des Things sprach der König und forderte die Bekehrung zum Christenglauben. [...]

69. Drontheim wird christlich
König Olaf ging nun in den Tempel, und es begleiteten ihn nur wenige Männer und einige von den Bauern. Als aber der König dahin kam, wo die Götterbilder standen, da saß Thor, der angesehenste von allen ihren Göttern, geschmückt mit Gold und Silber. [...]

Thing und Blót standen also in unmittelbarem Zusammenhang und nicht, wie Zautner behauptet, zeitlich weit voneinander getrennt. Und parallel zum Frostathing kann natürlich an einem anderen Ort das Alþing stattgefunden haben, im Zeitraum der Sommersonnenwende.

B) In Bezug auf die Stelle im Ágrip af Nóregs konunga sögum schreibt Zautner, daß daraus hervorginge, daß die aufgeführten Feste nicht genauer benannt worden seien und das miðsumarsblót erst durch die Christianisierung auf das Datum der Johannisnacht vorverlegt worden sei (Zautner, S. 123). Dies geht aus der Abschrift des altisländischen Textes aber gar nicht hervor, weil es explizit ok lét í stað koma‟ heißt, also an ihrer Stelle‟. Im Gesamtzusammenhang bedeutet das, daß an der Stelle der heidnischen Opferfeste christliche Feiertage angeordnet wurden. Was soll an ihrer Stelle‟ aber anderes heißen, als eine Substitution von heidnisch in christlich an genau diesem Tag?

Fazit

Das Mittsommerblót ist das Fest der Sommersonnenwende.

Götter und Opfergaben

67. Das Fest in Lade
[...] Er sagte, diese wolle er opfern für ein fruchtbares Jahr und Frieden im Lande. [...]

Sammlung Thule - Altnordische Dichtung und Prosa, Verlag Eugen Diederichs, Bd. 14 Snorris Königsbuch I (S. 274), Übersetzung nach Felix Niedner, Jena 1922

Blóta til árs: Für das Jahreswachstum

Balders Tod?

Das Fest ist zu Ehren Sunnas / Sol, der personifizierten Sonne. Das ist zunächst einmal der Hauptaspekt. Daneben gibt es jedoch auch Vertreter der Alten Sitte, die andere Aspekte betonen: die einen feiern ein göttliches Paar, entweder Odin - Frigg oder Balder - Nanna, das die Fruchtbarkeit der Jahreszeit verkörpert. Andere gedenken zur Sommersonnenwende Balders Tod: Der Gott wird ja von seinem blinden Bruder Höd erschossen. Die Verknüpfung ist diese: So wie der strahlende Gott Balder in der Blüte seines Lebens sterben muß, so muß die Sonne an ihrem höchsten Stand "sterben" und es geht auf den Winter zu. Diese Menschen feiern dann meist auch an Jul die Wiedergeburt der Sonne in dem Sinne, daß Balder "wiedergeboren" wird. Die Edda schildert ja, daß er nach den Ragnarök aus Hel zurückkomme.

I. Norden lehnt diese Deutung als völlig ungermanisch und nicht aus den Quellen herleitbar ab. Problematisch ist die Verknüpfung Balders mit Mittsommer und Jul deswegen, weil es in der nordischen Mythologie keinen Sonnengott gibt - die Sonne ist weiblich. Allenfalls kann man von einem "Himmelsvater" sprechen, einem Gott Tyr / Tiwaz, der diese Rolle innehat. Auch die Verbindung mit den Ragnarök ist nicht unproblematisch: Der Untergang der Götter ist eine komplette Zerstörung der Welt durch die Kräfte von Eis und Feuer. Dieses Szenario wird in der Edda als einmalig geschildert und erst danach kommt Balder aus Hel zurück. Diesen Untergang mit dem Jahreslauf, hier speziell dem Herbst, zu verbinden, ist schon etwas weit hergeholt. Ich selbst habe auch so meine Probleme mit der Verknüpfung Mittsommer - Balders Tod.

 

 

Crimson summer sky, sundown has come,
trees cloaked in shadows. What would I find beyond?
As I'm watching, thinking, waiting for the night to fall,
could I only turn the time, could I stop this moment.

Grey summer sky, the trees swing softly.
Come summer rain and kiss my skin,
tears in my eyes mingle with the raindrops,
warm winds blow my face dry. Yet, still I cannot see.

From the woods I hear my name, passions of summer-time.
I follow the whisper enthralled by the magic.
Tell me secrets the life-blood of nature
but underneath the green moss their traces disappeared.
Oh, what I see, what I feel, oh, could it be a memory?
Or is it mere fantasy? Hide away the pain,
when no words could ever explain.

Midsummer night bewitched by the light
at solstice fires the wheel burns bright.
Join the dance, celebrate the peak of life,
Cast away the reality that the fall has begun.

Summer will pass but the sun shall return.
Summer nights will be but how many more to see?
While I'm watching, breathing, taken by the summer air,
the vision may still be, the moment's gone forever.

From the woods ...
   © Hagalaz Runedance: Solstice Past

 

Quellen und Verweise

 

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Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!