Wotan
Wodan, id est furor! [Adam von Bremen]
Im Zitat von Adam von Bremen wird Wodan mit "Wut" übersetzt.
Oðr, altnordisch "Wut", auch "kultische Ekstase", war namensgebend
für den nordgermanischen Odin
und südgermanischen Wotan. Für mich sind beide Götter zwar in ihrem
Wesen gleich, aber nicht in allen Facetten identisch. Deswegen möchte ich auf dieser
Seite einige typische Züge des Wotan darstellen.
Der Gott hieß auf altfränkisch Wodan, auf langobardisch Wotan
oder Godan, auf sächsisch / angelsächsisch Woden und im Althochdeutschen
war er Wuotan.
Die Römer setzten Wotan mit Merkur gleich, so auch Tacitus in der
Germania. Er schreibt dort, daß die Germanen ihrem "Merkur" auch
Menschenopfer darbringen.
Wotans Name ist auf der Nordendorfer Fibel belegt, die aus der Zeit um 600 u.Z. stammt und 1843 bei Augsburg gefunden wurde. Die Fibel enthält die Namen einer Göttertrias: logaþore, wodan, wigiþonar (oder wiguþonar). Weiterhin stehen dort der Frauenname Awa und der Männername Leubwini. Die klassische Deutung geht davon aus, daß diese beiden Menschen die genannten Götter um Glück anriefen. Es gibt abweichende Deutungsversuche.
Wotan findet sich aber auch in einer sächsischen Abschwörungsformel ("Taufgelöbnis"), die diejenigen sprechen mußten, die Christen werden wollten / sollten / mußten.
"Forsachistu diabolae?
et respondet: ec forsacho diabolae.
end allum diobolgeldae?
respondet: end ec forsacho allum diobolgeldae.
end allum diobeles uuercum?
respondet: end ec forsacho allum diobeles uuercum and uuordum,
Thunaer ende Uuoden ende Saxnote ende allum them unholdum the hira genotas sint.
gelobistu in got alamehtigan fadaer?
ec gelobo in got alamehtigan fadaer.
gelobistu in Crist gotes suno?
ec gelobo in Crist gotes suno.
gelobistu in halogan gast?
ec gelobo in halogan gast."
"Versagst du den bösen Geistern?
Und er antwortet: ich versage den bösen Geistern.
Und allen Teufelsopfern?
Er antwortet: und ich versage allen Teufelsopfern.
Und allen Teufelswerken?
Er antwortet: Und ich versage allen Teufelswerken und -worten,
Thunaer (= ahd. Donar) und Woden (=ahd. Wuotan) und Saxnot
(wahrscheinlich derselbe wie Tiu =ahd.Zio) und allen Unholden, die ihre Genossen sind.
Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater?
Ich glaube an Gott den allmächtigen Vater.
Glaubst du an Christus, Gottes Sohn?
Ich glaube an Christus, Gottes Sohn.
Glaubst du an den heiligen Geist?
Ich glaube an den heiligen Geist."
Im angelsächsischen Raum tritt Woden als (heilkräftiger) Zauberer im Neunkräutersegen auf:
"A serpent went crawling, it wounded no one.
Then Woden took nine glorious twigs,
Struck then that adder so that she flew apart in nine pieces.
There apple and poison made an end
That she never should dwell in a house."
Nine Herbs Charm
Auch Ortsnamen lassen auf Woden schließen: Wodnes beorh, Wenslow, Wodnesfeld ...
Am auffälligsten ist jedoch, daß der Wochentagsname für Mittwoch,
Wednesday, noch auf Wodnesdag verweist. Daß dieser Tag in späterer
Zeit nicht mehr mit dem Namen dieses Gottes bezeichnet wurde, mag auf dessen Bedeutung
(auch und gerade für die christlichen Missionare) schließen lassen.
Weiterhin führten auch angelsächsische Könige ihre Herkunft auf
Woden zurück.
Der südgermanische Gott tritt auch im Zweiten Merseburger Zauberspruch als Heiler auf, der den verletzten Fuß eines Fohlens heilt. In seiner Heilfertigkeit wird er hier über andere Götter gesetzt, so daß dies eine seiner wichtigsten Eigenschaften gewesen sein mag (Text auf meiner Nerthus-Seite). Auf der Wikipedia-Seite wird auf eine Parallele in den Veden verwiesen (de.wikipedia.org/wiki/Merseburger_Zauberspr%C3%BCche)
In eine andere Richtung geht die im ganzen germanischen Raum verbreitete Vorstellung von einem Wilden Heer, das mit Wotans Namen verbunden ist: Wuotanes her, Odens jakt, Oskoreidi, jolareidi, Wild Hunt. Hier ist der Zauberer Wotan nunmehr Totengott. Vielen Schilderungen ist gemein, daß der nächtliche Wanderer zunächst Geschrei und Bellen von Hunden hört, dann einen schwarzen Reiter durch die Luft heranstürmen hört, der von einer schwankenden Anzahl "Geistgestalten" (meist eines gewaltsamen Todes Gestorbene) begleitet wird. Wenn der Wanderer sich sofort mit dem Gesicht nach unten auf den Boden wirft, soll er gute Chancen haben, dieses Spektakel zu überleben (s.a. Julfest). Eine Art Bannspruch ist der Münchner Nachtsegen aus dem 14. Jhd.:
Wutanes her und alle sîne man,
di di reder und di wit tragen
geradebreht und erhangen,
ir sult von hinnen gangen.
Wuotans Heer und alle seine Leute
welche die Räder und die Weidenruten tragen
gerädert und erhängt
ihr sollt von hinnen gehen.
Die Wilde Jagd wird zum einen naturmystisch gedeutet und mit Fruchtbarkeit in Verbindung gebracht. Der in Winterstürmen dahinjagende Gott bringt dem Land Fruchtbarkeit. Interessant ist z.B. daß sich der "Nachtjäger" oder "Schimmelreiter" in Rügener Sagen häufig auch an Mühlen gezeigt hat, was auf die Verbindung mit dem Getreide deutet. Dies scheint auch eine schon im 16. Jhd. bezeugte Beschwörungformel zu belegen, in der es heißt:
"Wode, Wode, hol dinnen Rosse nun Voder; nu Distel und e Dorn, tom anderen Jahr beten Korn."
(nach Schuppener)
Man muß hier den namensgebenden Aspekt der "Wut" hervorheben.
"Wodan ist uns keine alte Elementarmacht, kein Naturgott Sturm. Aber
das Entstehen der Gestalt wird nie begreifen, wer nicht das nächtliche Wogen und Sausen in Wald
und Gebirge, die Stimmung der Sturmnacht auf Feld und Meer kennt und den starken Drang des
Menschen mitfühlt, hinter dieser Macht einen Mächtigen, hinter dieser Raserei einen
Rasenden zu sehen. ... In diesem Toben der Natur sieht man woðuz, d.i. Wut, und
Woðanaz, einen Wütenden."
Schneider
Eine weitere Deutung sieht die Wilde Jagd vornehmlich als Totenheer, vor dem die Menschen sich fürchteten. Demnach ziehe Wotan mit den Seelen der Toten übers Land. Zur Vertiefung bietet sich Gundarssons Artikel an.
Die Wilde Jagd wird aber heute auch mit Kriegerbünden in Verbindung gebracht, die sich dem Wotan / Odin geweiht hatten. Tacitus berichtet in seiner Germania von den Hariern, die ihre Schilde schwarz anmalen, auch ihre Körper bemalen und sich finstere Nächte zum Angriff wählen. Er schreibt: "... schon durch den grauenvollen und düsteren Anblick eines 'Gespensterzuges' verbreiten sie Schrecken ...". Wenn man sich nun diese Äußerlichkeiten in Verbindung mit speziellen Riten, die mit "kultischer Ekstase" umschrieben werden können, vorstellt, so läßt sich nachvollziehen, warum solche Kriegerbünde als Wilde Jagd in die Mythen eingingen. Mit dieser Deutung steht auch die Interpretation Wotans als Kriegsgott in Zusammenhang. Wotans Wut inspiriert die Krieger, läßt sich mutig und furchtlos dem Feind gegenübertreten.
Um mit Adam von Bremen zu schließen: Er erwähnt bei seiner Beschreibung des Tempels von Uppsala, daß auch Wodan mit einer Statue im Innern repräsentiert war (wobei er hier wohl den ihm bekannten südgermanischen Namen für die nordgermanische Gottheit wählte).
Literatur:
Adam von Bremen,
Schmidt,
Schneider,
Simek,
Tacitus
Wotansträume
In der Vollmondnacht des Scheiding 1995 träume ich, daß ein Mann mit Schlapphut
und dunkelblauer Kutte auf mich zukommt. Als ich das eine Auge sehe, weiß ich, wer er ist.
Doch wirkt seine Figur unpassend - drahtig bis schmächtig, wieso es mir kurz durch den
Geist blitzt, ob das der verkleidete Loki ist. Er
lächelt verschmitzt.
Der Mann gesellt sich zu mir und erläutert mir Zusammenhänge zwischen
Hagalaz und Kenaz.
Auch über Wunjo spricht er.
Kurz vor dem Julfest 1996 träume
ich von einem Land, in dem Krieg herrscht.
Ich selbst nehme aktiv an den Kämpfen teil; dem Aussehen meiner Kameraden nach gehören
wir zu einer Art Miliz. Plötzlich sehe ich mich eine Flak bedienen, ich treffe einen
anfliegenden Bomber, der, eine Rauchfahne hinter sich herziehend, abstürzt. Kurz vor dem
Aufprall sehe ich die Piloten im Cockpit (die offenbar nicht abgesprungen waren). In der
nächsten Szene vergrabe ich einen Sprengsatz auf einer sandigen Straße. Ich sitze
dann getarnt im Gebüsch und sehe, wie ein LKW anrollt. In dem Moment, in dem ich die Gesichter
des Fahrers und Beifahrers sehe, detoniert die Mine, der LKW wird in den Graben geschleudert.
Ich sehe nach - beide Männer sind tot.
Plötzlich drehe ich mich um und stelle fest, daß mir Leichen folgen. Ich erkenne die
beiden Bomberpiloten wieder, die beiden LKW-Fahrer, eine geköpfte Frau und weitere
Personen, die ich nicht getötet habe. Wohin ich gehe - sie folgen mir. Ich
komme auf eine andere Traumebene, merke, daß
ich träume, fürchte mich vor den Toten. Ich schreie sie an, sie sollen mich
in Ruhe lassen. Doch das hilft nicht - die nicht feindlich gesonnenen Toten ziehen weiter
hinter mir her. Endlich akzeptiere ich es.
Die Wilde Jagd.
Im Hartung 1997 wache ich nachts plötzlich auf und sehe (träume) einen Schwarm Raben ins Schlafzimmer fliegen. Während der Schwarm abdreht, verirrt sich ein Rabe zu mir in Zimmers, wo er ängstlich umherfliegt. Dann sieht er mich, kommt zu mir und setzt sich eng an mich gedrückt in meinen Nacken. So schlafe ich wieder ein.
In den Zwölfnächten 1997 träume ich nachts von Wotan, der auf mich zukommt. Ich sehe in der Übergangszone zwischen Traum und Wachbewußtsein eine Art Licht, das plötzlich auf mich zuschießt. Ich werde wach, setze mich auf, aber im Zimmer ist es dunkel.
Zwei Nächte später träume ich von den Vorbereitungen für ein großes Fest. Ich selbst baue ein Holzgerüst mit auf. Menschen eilen umher, stehen in Besprechungen zusammen. Dann fällt mir ein bärtiger Mann auf, der nicht in diese Hektik eingebunden ist. Er steht nur da und scheint mich zu beobachten. Ich gehe auf ihn zu, kann das Gesicht unter dem Hut schlecht erkennen. Ich sehe dann aber doch, daß er zwei Augen hat (und bin erleichtert?). Plötzlich verschwindet das rechte Auge und ich weiß, wer er ist. Er sieht meine Überraschung und lacht laut auf.
"There are but three beings worthy of respect:
the priest, the warrior, and the poet. To know, to kill, and to create."
[Ch. Baudelaire]
Niemand hat um dich gewacht. Und der dünne Ostwind jammert.
Wolkenberge wandern grau unter matten Himmels Milde
dir zur Feier, weiße Frau, in dein einsames Gefilde.
Horch! - der Ost trompetet gell, fährt mit mächtigen Geschirren!
Balde werden weh und hell dir im Sturm die Haare klirren!
[Alfred Brust, 'Birke im Frost']
Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!