Völventum und Vorzeichen
Vorzeichendeutung
Daß die Germanen von Vorzeichen auf Kommendes schlossen, steht so z.B. bei Tacitus. Dort wird beschrieben, wie die Germanen aus Vogelstimmen, Vogelflug, Pferdeschnauben und -wiehern die Zukunft deuteten. Vorzeichen sind hier also nicht vom Menschen herbeigeführte Dinge, sondern etwas, das beobachtet und gedeutet wird. Plutarch weiß von Seherinnen, die die Strudel der Flüsse beobachten. Prokop berichtet von einem Adler, der über einem Gefangenen schwebte, woraus der Wandalenkönig Geiserich Schlüsse zog. Wiederum Prokop berichtet vom König Hermigisel, der aus dem Krächzen einer Krähe den bevorstehenden Tod ableitete.
Neben diesen Beispielen gibt es noch die willentlich herbeigeführten Dinge, die gedeutet wurden. So berichtet Strabon über die Kimbern, daß sie Gefangenen die Kehlen durchschnitten und aus dem in einen Kessel fließenden Blut wahrsagten. Auch die Eingeweide der Gefangenen wurden entsprechenden Deutungen unterzogen (alle diese Beispiele aus Maier, S. 78)
Spá
Spá (das Völventum) ist divinatorisch zu verstehen, also als Vorhersage von Kommendem, wozu z.B. auch
Weissagung mit Runen gehört. Spá wird im Zusammenhang
mit der Alten Sitte gerne auch als "oracular seiðr" bezeichnet,
was aber laut Oertel falsch ist:
Magie (= Seiðr) und Weissagung haben
nichts miteinander zu tun! Inwieweit dies eine ganz strikte Trennung war, ist nicht genau
zu beurteilen. Männer oder Frauen, die sich mit der Weissagung beschäftigten,
nannte man: Spámadhur und Spákona. Dabei handelt es sich eher um Seher(innen) als
Priester(innen), de facto haben Goden nichts mit
Magie oder Weissagung zu tun.
Völva heißt "Stabträgerin", spákona "Spähfrau",
also Seherin. Während Zauberer nicht immer hochangesehen waren, scheint die Meinung zum
Völventum die gewesen zu sein, daß es sich dabei um ein 'ehrbares Handwerk' handelt.
Eine ziemlich echt wirkende Beschreibung einer solchen Weissagung liefert uns die Eiríks saga rauða (Saga von Erik dem Roten), wo die Seherin Thorbjörg weissagt. Weitere Stellen finden sich in der Vatnsdœla saga, der Örvar-Odds saga, der Saga von Hrolf Kraki (nach Oertel). Thorbjörg trug zum Weissagen spezielle Kleidung, saß auf einem Hochsitz und wurde durch ein Weissagungslied (varðlokkur) einer anderen Frau bei der Trance unterstützt. Vermutlich war sie dann in der Lage, ihre Seele in andere Welten der nordischen Überlieferung zu senden, um dort Wesenheiten zu kontaktieren und um Deutung der Zukunft / des Schicksals zu bitten. Daß es sich darum handelt, wird aus dieser Stelle klar: "Darauf gingen die Leute zur Seherin, und ein jeder fragte nach dem, was er am meisten zu wissen wünschte. Sie war gern bereit zur Antwort, und nur wenig von dem, was sie sagte, traf nicht ein.".
Siehe zum Thema auch die Ausführungen zu den Seelenvorstellungen, speziell zum Aussenden des Hugr. In einem Artikel von Michael J. Smith über Utiseta schreibt dieser, Seiðr (hier ist allerdings Völventum gemeint!) bedeute "giving rule over the lich over to one's fetch animal (animal spirit)". Im Seið-Artikel des gleichen Autors heißt es, daß "seiðr's prime symptoms seem to consist of various states of trance, slumber, and rhythm". Trance wird als zeitweiliger Verlust der Kontrolle über motorische Fähigkeiten und psychische Prozesse angesehen, Slumber ist Unterdrückung von Reizerfassung durch das Individuum und Rhythm der Weg zu Trance und Slumber, wobei man sich rhythmischen Atmens, Tanzes, Trommelns und Gesanges bedient. Der Autor fügt eine Kurzanleitung in rhythmischem Atmen hinzu, durch das eine leichte Trance erreichbar sei. Daran schließt er eine einfache Übung in Visualisierung an und bezeichnet beides als notwendige Voraussetzungen für das Erlernen von Seiðr.
Bei der Frage nach dem 'Wohin?' der Reise, scheint besonders - auch in der Tradition des sonstigen Schamanismus - die Unterwelt, Hels Reich, wichtig gewesen zu sein. Wer in die Unterwelt reist, kann dort die Toten "erwecken" (oder, neutraler: den Wissenspool des kollektiven Unbewußten anzapfen) und sie um Rat und Prophezeiung bitten. Auch Odin tat dies beispielsweise in 'Baldurs Träume' (Baldrs draumar), wo er einer toten Völva das Wecklied sang, um sie anschließend über Baldur zu befragen. Hier haben wir gleichzeitig auch das Ineinandergreifen von Magie und Weissagung: Odins Wecklied ist ein (magischer) Zaubersang, die Vorhersage der Völva ist Weissagung.
Seiteninfo: 1.Autor: Stilkam | 2.Autor: ING | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!