Alte Sitte Eidring

Der Unterschied zwischen Religion und Magie

Religion und Magie sind zwei Begriffswelten, die in der Praxis nicht immer leicht voneinander zu trennen sind. Derselbe Gegenstand besitzt für den einen eine göttliche Heiligkeit, für den anderen aber hat er eine höhere Mächtigkeit. Wie soll hier unterschieden werden? Heilig ist, was zu den Göttern in nahe Beziehung getreten ist. Fritz Steinbock formuliert dies im Forum des VfGH so:

Die Verwendung von Dingen, die im religiösen Sinn (mit Bezug auf die Götter) geweiht sind, wie z.B. auch Thorshämmer u.a. geweihte Amulette, zähle ich nicht zur Magie. Das alles gehört, weil es mit Respekt vor den Göttern geschieht und die erhoffte Wirkung letztlich dem Willen der Götter anheimstellt, zur Religion. Der Thorshammer schützt mich, wenn Thor will – also eigentlich schützt mich Thor bzw. ich bitte ihn mit dem Hammertragen, es zu tun. Magie wäre, wenn ich glaube, der Hammer selbst hätte diese „magische Schutzkraft“. Steinbock

Der Unterschied zwischen Religion und Magie wird in diesem Fall nicht durch die Art des Gegenstandes bestimmt, sondern durch die Haltung des Menschen ihm gegenüber. Glaube ich an eine göttliche Macht, so müssen wir von Religion sprechen - gehe ich hingegen nur von einer dem Gegenstand innewohnenden Kraft aus, so müssen wir von Magie reden. Jan de Vries schreibt dazu:

„Glaubt der Mensch an eine wirkliche göttliche Macht, so wird er ihm [Anm.: dem Gegenstand] mit viel mehr Ergriffenheit, ja mit einer ganz anderen Gesinnung gegenüberstehen, als wenn er nur an eine rein magische Wirkung glaubt. In diesem letzten Fall wird er über die Zauberkraft des Gegenstandes nach eigenem Ermessen verfügen. Er kann durch bestimmte Manipulation diese Kraft zwingen und wirksam machen; der Magiker ist ein Bändiger der übernatürlichen Kräfte, in dem echten Sinne des Wortes Zauberer. Dagegen wird der Gläubige einer Stätte, wo eine Gottheit haust, mit Ehrfurcht nähertreten und nur durch Verehrung das erwünschte Heil zu bekommen hoffen. (De Vries, S. 170)

Religion und Magie stehen nebeneinander. Und man könnte sogar sagen, wo der Glaube fehlt, ist auch die Magie unmöglich. Nur ist der Weg, um an das gewünschte Ziel zu kommen, ein ganz anderer als in der Religion. Das heißt:

Bei einer magischen Handlung herrscht immer ein Kräftefeld vor, in dem der Zauberer zu einem magischen Objekt in Beziehung tritt, um dessen Potenz auf einen bestimmten Zweck zu richten. Es hängt von der Macht des magischen Menschen ab, ob er sein Ziel erreichen wird und mithin das Kräftefeld in einem von ihm gewünschten Sinne polarisieren kann. Bei einer religiösen Handlung steht nicht der Magiker, sondern die Gottheit im Zentrum des Kräftefeldes.
Sobald aber der Germane sich dessen bewußt ist, daß er durch eine göttliche Wirkung berührt worden ist, spricht er von Heiligkeit, das heißt von einem Zustand des Heils. Wenn er am Opfermahle beteiligt ist, erwartet er durch die heilige Handlung „Heil“ für sich selbst, das heißt also einen Segen, der von den Göttern ihm gewährt wird. (De Vries, S. 171)

Noch etwas umfangreicher führt es Steinbock im „Heiligen Fest“ aus:

Der germanischen Tradition fremd ist ferner die Meinung, religiöse Rituale wären magisch zu verstehen. Die germanische Magie (seiðr) arbeitet nicht wie die orientalische mit Göttern und Geistern, die regelrecht gezwungen werden, zu erscheinen und dem Magier zu dienen, sondern mit den immanenten Kräften des Menschen, der sie ausübt, oder den Kräften der Gegenstände und Praktiken, die er verwendet. Sie ist nicht Beschwörung, sondern Technik, die ohne Hilfe mächtiger Wesen aus sich selbst wirkt – in der präziseren Terminologie von Religionsforschern wie Hans-Peter Hasenfratz eigentlich nicht Magie, sondern Zauber. Andere machen da keinen Unterschied, differenzieren aber ebenfalls nach der Beteiligung von Göttern oder Geistern: Wenn eine rituelle Handlung ohne ihr Zutun wirken soll, ist es Magie; wenn man glaubt, daß sie es sind, die etwas bewirken, ist es Religion.
Das heißt aber in jedem Fall, daß Religion und Magie zwei grundverschiedene Bereiche sind, die im historischen Heidentum denn auch ihren je eigenen Platz und je eigene Fachleute hatten: seiðkona (Magierin) und seiðmaðr (Magier) oder althochdeutsch zoubrara (Zauberin) und zaubrari (Zauberer) für magische Aufgaben und goði („Priester“) und gyðja („Priesterin“) bzw. cotinc, bluostrari usw. für die religiösen Rituale, die zwar manchmal und bei speziellem Bedarf auch magische Elemente enthalten und sich magischer Mittel bedienen können, aber nicht Magie an sich sind. Wenn in esoterisch angehauchten Kreisen gerne von „magischer Religion“ die Rede ist, hat das also weder mit echtem Heidentum zu tun noch ergibt es religionswissenschaftlich überhaupt einen Sinn.
Religiöse Rituale dienen schließlich auch nicht dazu, die Teilnehmer auf einen Weg der Erkenntnis, Einweihung oder Erleuchtung zu führen. Das sind esoterische Deutungen, die erst in moderner Zeit entstanden sind und ihren Ursprung in Mysterienkulten von außerhalb des germanischen Raums haben. Sie mögen auf spezialisierte Einweihungsformen wie die höhere Runenkunst zutreffen, doch mit der allgemeinen Religionsausübung – etwa zu den Jahresfesten – haben sie nichts zu tun.
Das religiöse Ritual ist weder magische Energiearbeit noch mystische Einweihung, sondern ein kultisches Fest. Es ist ein Akt der Verehrung der Götter und eine Begegnung mit ihnen aus der Basis feierlicher Gemeinschaft und wurde daher von unseren Vorfahren schlicht „Feier“ (althochdeutsch fira) genannt. Man sagte auch, daß man diese Feier „beging“ und nannte sie deshalb bigang. (Steinbock, S.22)

Quellen

De Vries, Steinbock

 

 

 

Seiteninfo: 1.Autor: ING | 2.Autor: - | Weitere Autoren: - | Stand: 20.03.2020 | Urheberrecht beachten!